Sturmflut 1962
Notstand im Land Hadeln - Viele Cuxhavener flüchteten aus der Stadt
Die Sturmflut während der Nacht vom 16. zum 17. Februar traf die Bewohner des Kreises Land Hadeln nicht unvorbereitet. Rechtzeitig hatte die Kreiseinsatzleitung sämtliche Bürgermeister, Deichgrafen und Ortsbrandmeister gewarnt. So war es möglich, fast das gesamte Vieh vor dem Wasser zu retten, obwohl der Ostedeich an 43 Stellen brach. Auch die Stadt Cuxhaven hatte die Einwohnerschaft noch so rechtzeitig auf die Gefahr hingewiesen, dass es hier wie auch im Land Hadeln keine Menschenverluste gab.
Nach dem Orkan aus Südwest am Montag, dem 12. Februar, war der Sturm auf West umgesprungen und hatte in der folgenden Nacht das Wasser sehr hoch auflaufen lassen. Beim Schöpfwerk Nindorf zwischen Laumühlen und Nindorf wurde der Ostedeich überflutet und brach in den frühen Morgenstunden. Rund 500 ha Land wurden überflutet. Das war ein Alarmzeichen.
Als sich am 16. Februar in den Vormittagsstunden der aus West bis Nordwest wehende Sturm zum Orkan verstärkte, wurde für die gefährdeten Gemeinden Nindorf und Laumühlen bereits um 14.00 Uhr der Notstand verkündet und die ersten Deichschutzgruppen traten zur Sicherung der Gefahrenstelle an.
Um 16.00 Uhr ließ Oberkreisdirektor Büning von Otterndorf aus sämtliche Bürgermeister, Deichgrafen und Brandmeister im Elbe- und Ostegebiet warnen. Man hatte zu dieser Zeit einen voraussichtlichen Wasserstand von fast drei Metern über Normalhochwasser errechnet! Die Deichschutzgruppen mussten sich - auch im Hinterland - in Bereitschaft halten. Um 18.00 Uhr wurden dann schon die ersten Freiwilligen Feuerwehren am Deich eingesetzt.
Gegen 21.00 Uhr trafen die ersten Meldungen über Deichüberflutungen bei der Kreiseinsatzleitung in Otterndorf ein, die um 16.00 Uhr im Kreishaus aus Beamten und freiwilligen Helfern gebildet worden war. Schon um 20.20 Uhr war der Notstand für das gesamte Kreisgebiet Land Hadeln verkündet worden. Daraufhin waren die Freiwilligen Feuerwehren sowie schnell aufgestellte Deichschutzgruppen und Arbeitskommandos aus dem Hinterland in die gefährdeten Gemeinden und an die Deiche gebracht worden. Die Kreiseinsatzleitung bemühte sich laufend um den Ankauf zusätzlicher Sandsäcke in Hamburg und Bremen. Es gelang noch in der Nacht 100.000 Säcke zu kaufen, die sogar bis zum Morgengrauen, zum Teil mit Fahrzeugen der Bundeswehr, herangeschafft werden konnten. Ab 22.50 Uhr verbreitete der Norddeutsche Rundfunk die vom Oberkreisdirektor durchgegebene Warnung an die Bevölkerung in regelmäßigen Abständen.
Die Stadt Cuxhaven hatte ebenfalls bereits kurz nach 20.00 Uhr Alarm gegeben. Gegen 22.00 Uhr heulten nochmals die Sirenen, um die Bevölkerung auf die unmittelbare Gefahr aufmerksam zu machen. Wenig später schon, die Schleusentore hatte man gerade noch rechtzeitig schließen können, brach die Flut über den Deich herein. Bis hinauf zum Bahnhof stand das Wasser in kürzester Zeit. In Duhnen war ein Stück aus dem Deich herausgerissen. Auch hier brauste die Flut in das Hinterland. Viele Cuxhavener hatten fluchtartig die Stadt verlassen und waren in die umliegenden höher gelegenen Orte gefahren. Der Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk und den freiwilligen Helfern, die sich gemeinsam mit Soldaten der Bundeswehr und Polizeibeamten in unermüdlichem Kampf gegen die Flut für die Stadt einsetzten, gelang es jedoch, die Gefahrenstellen abzusichern.
Entlang der Oste zwischen Neuhaus und Nindorf aber bekam man die Katastrophe in ihrer ganzen Wucht zu spüren. Zwischen 23.00 Uhr und 24.00 Uhr brach bei Neuhaus der Deich. Die Bundesstraße 73 wurde überflutet und unterspült. Der Hauptverbindungsweg zwischen Stade und Cuxhaven war unterbrochen. Wenige Minuten später brachen die Deiche rechts und links der Oste bei Geversdorf, Oberndorf, Bentwisch, Warstade, Basbeck und Nindorf. Wassermassen drangen bei Höftgrube über die Bahnlinie und die Bundesstraße 73 vor. Damit waren auch hier die beiden Hauptverbindungslinien unterbrochen. Es konnte allerdings fast sämtliches Vieh gerettet werden.
Großartiges Rettungswerk
In den ersten Morgenstunden des 17. Februar hatten die Kreisverwaltung und die Stadt Otterndorf die Bundeswehr zu Hilfe gerufen. Ein genaues Bild der Katastrophe konnte man sich zunächst noch nicht machen. Zwar lagen Meldungen von allen Deichabschnitten vor, jedoch änderte sich die Lage laufend mit dem weiteren Vordringen des Wassers in die tiefer liegenden Gebiete. Bei Tagesanbruch wurden sofort die notwendigen Maßnahmen getroffen, um die nächste Flut am Mittag aufzuhalten. Diese Bemühungen hatten Erfolg, da zum Glück auch der Sturm nachließ. Das große Rettungswerk begann. Infanteristen, Panzersoldaten, Pioniere, Polizeieinheiten und alle verfügbaren Helfer leisteten gemeinsam mit den heimischen Firmen in kürzester Zeit Hervorragendes. Wo es wegen der zerstörten oder überfluteten Straßen und Wege nicht möglich war Sand und anderes Material an die Deichbrüche heranzuschaffen, halfen die Hubschrauber der Bundeswehr. Tag und Nacht wurde gearbeitet bis zur Erschöpfung. Aber das Ziel wurde erreicht: Die Deichbruchstellen konnten soweit gesichert werden, dass sie einer erneuten Sturmflut mit einem Hochwasser von etwa 1,20 m über Normal hätten standhalten können.
Millionenschäden waren in Cuxhaven und im Land Hadeln entstanden. In Cuxhaven und Sahlenburg hatte die Flut in Hafen- und Kuranlagen sowie in Industriebetrieben zum Teil außerordentlich schwere Verwüstungen angerichtet. Im Lande Hadeln waren vornehmlich Gebäude, landwirtschaftliche Nutzflächen und Ziegeleien hart betroffen. Hier begann neben den Deichsicherungsarbeiten unverzüglich das große Aufräumen.